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Dem Bauland Beine machen – und den Mietern gleich mit

Kommentar von Stefan Klein (GloReiche Nachbarschaft) zum Referentenentwurf des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat: Entwurf eines Gesetzes zur Mobilisierung von Bauland (Baulandmobilisierungsgesetz )


 

Na, da hat sich die Regierung ja was Feines ausgedacht: Im Referentenentwurf eines neuen Gesetzes will sie nichts geringeres, als unbewegliche Dinge zum Laufen zu bringen – oder was sonst will uns der Name „Baulandmobilisierungsgesetz“ sagen?

 

In Wirklichkeit soll das Gesetz, kurz gesagt, es den Kommunen erleichtern, Bauland auszuweisen. Dafür braucht das Gesetz 22 Unterpunkte, dann ist die Baulandmobilisierung geschafft. Feierabend! Aber halt, noch nicht ganz. Jetzt kommt noch ein letzter Unterpunkt zum materiellen Teil, die Nummer 23. Und da geht es in der Begründung auf einmal um etwas ganz anderes:

 

„§ 250 Absatz 1 und 2 BauGB soll den Ländern ermöglichen, durch Rechtsverordnung Gebiete zu bestimmen, in denen die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist.“

 

Ein löbliches Ziel, besonders weil

„In den Großstädten ist häufig zu beobachten, dass Investoren oder gewerbliche Immobilieneigentümer Grundstücke mit mehreren Wohneinheiten, die ganz überwiegend vermietet sind (Mietshäuser), in Wohnungseigentum umwandeln und die Wohnungen – mitunter nach aufwertender Modernisierung – an Einzelerwerber veräußern.“

 

Alle bisherigen Maßnahmen haben nichts gefruchtet, weiß der Gesetzentwurf:

„Auch der Schutz der Mieterinnen und Mieter vor Kündigungen des neuen Vermieters nach Umwandlung und Veräußerung (§ 577a Absatz 1 BGB) (…) wirkt allerdings nur zugunsten desjenigen Mieters, dem der Wohnraum bei Begründung und Veräußerung des Wohnungseigentums überlassen ist. Zieht der Mieter – gleich aus welchem Grund – aus, so kann der Wohnungseigentümer selbst einziehen oder die leere Wohnung gewinnbringend weiterveräußern. Er hat damit einen nicht unerheblichen Anreiz, den Mieter zum Auszug zu bewegen. Auch das Vorkaufsrecht des Mieters (§ 577 BGB) bietet insbesondere in angespannten Märkten keinen Schutz, da die Mieter die Kaufpreise in der Regel nicht aufbringen können“

 

Was ist also zu tun:

„In den nach § 250 Absatz 1 und 2 BauGB bestimmten Gebieten darf die Begründung von Wohnungseigentum oder Teileigentum (§ 1 des Wohnungseigentumsgesetzes) an Gebäuden, die ganz oderteilweise Wohnzwecken zu dienen bestimmt sind, nur mit Genehmigung der von der Landesregierung bestimmten Stelle erfolgen.“

 

Hurra! Sieg! Ohne Ausnahme? Nein, vielmehr gibt es da einige:

„§ 250 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 enthält einen Ausnahmetatbestand, der der besonderen Situation Rechnung tragen soll, in der die Begründung des Wohn- und Teileigentums im Zusammenhang mit einer Erbauseinandersetzung geschieht. (…) Der Ausnahmetatbestand in § 250 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 nimmt darauf Rücksicht, dass der Eigentümer ein besonderes Interesse daran haben mag, seinen Angehörigen Wohneigentum zur eigenen Nutzung zu verschaffen. Auch die Veräußerung an die Mehrheit von zwei Dritteln der Mieter begründet einen Anspruch auf Genehmigung. (§ 250 Absatz 3 Satz 1 Nummer 3). Die Wohnungen gehen dann zwar dem Mietwohnungsmarkt verloren, allerdings ohne eine große Zahl angestammter Bewohner zu verdrängen. Gemäß § 250 Absatz 3 Satz 1 Nummer 4 besteht ein Anspruch auf Genehmigung insbesondere in Fällen, in denen es für den Eigentümer auch unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses am Erhalt von Mietwohnraum wirtschaftlich nicht zumutbar ist, auf eine Einzelveräußerung zu verzichten, etwa weil nur so das Kapital für erforderliche Erhaltungsmaßnahmen am Gesamtgebäude aufgebracht werden kann.“

 

Und das ist jetzt schlicht eine Handlungsanweisung zur fast vollständigen Aushebelung des Umwandlungsverbots:

  • Eine Erbengemeinschaft braucht bloß zu behaupten, dass alle da einziehen zu wollen, und schon sind so viele Wohnungen, wie die Gemeinschaft Köpfe hat, dem Wohnungsmarkt entzogen.
  • Wenn das nicht reicht, wird die gesamte Sippschaft bis zum letzten Familienangehörigen benutzt, um wie beim Eigenbedarf die Mieter rauszusetzen
  • Langt immer noch nicht? Dann lügt man frech, die restlichen Wohnungen an zwei Drittel der Mieter veräußern zu wollen. Das klappt dann leider nicht, man erinnere sich an die Begründung aus eben diesem Entwurf wenige Zeilen vorher:  „da die Mieter die Kaufpreise in der Regel nicht aufbringen können“.
  • Und zum Schluss noch der Auffangtatbestand der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit, der wirklich alles und jedes abdeckt. Denn das ist ja gerade das klassische Spekulationsmodell. Man kauft ein Haus mit relativ niedrigen Mieten. Durch die Finanzierungskosten des überteuerten Preises bleibt buchhalterisch nix für die Erhaltungsmaßnahmen übrig. Also ist der Tatbestand gegeben und auch noch der letzte Mieter aus seiner Wohnung gejagt.

 

Die neue Norm des § 250 BauGB-E ist keine Mogelpackung, es ist die Büchse der Pandora. Und wenn man dieser Gemeinheit schon einen Namen gibt, dann sollte man sie nicht im „Baulandmobilisierungsgesetz“ verstecken, sondern beim Namen nennen: Es muss „Tschüss-Mieter-Gesetz“ heißen.


Die Abkürzung BauGB steht für Baugesetzbuch.

Link zum Referentenentwurf.